„Du bist krank“, hört man von jemand, den man konsultiert. Es ist keine gute Nachricht. Man ist nicht gut drauf, wenn man diese Nachricht erhält. Sie kann auch ganz schlimm sein. „Sie haben Krebs.“ „Sie haben einen Tumor.“ „Sie sind einfach gefährdet.“ „Sehr gefährdet.“ „Ihre Leber zeigt.“ „Ihr Brustkorb zeigt ein Gewächs.“ Für den, der das hört, ist das furchtbar. Er kann nicht mehr klar denken. Er ist weg. Abhängig. Er weiß nicht, was er tun soll. Er übergibt sich dem, der weiß. Was weiß er?

Zum Beispiel: „Ein Gewächs ist da.“ Was will es von mir? Das fragt niemand.

Das wäre aber eine Frage, die durchaus auch gestellt werden könnte. Was genau ist ein Gewächs? Das ist auch eine Frage, die man stellen könnte. Viele Fragen könnte man stellen, wenn man hört, da ist ein Gewächs. Niemand stellt sie. Es ist alles einfach so.

Man will es nicht, aber man kann nichts dagegen tun. Jemand muss die Regie übernehmen. Die Regie über das Leben wird von denen übernommen, die wissen. Was wissen sie?

Dass ein Gewächs da ist. Ein Gewächs, das eine Maschine zeigt. Sie zeigt das Gewächs, aber nicht, warum das Gewächs da ist. Die Maschine zeigt auch das, was für die, die jetzt alles übernehmen, was zu tun ist, das Wichtigste ist: „Die Maschine zeigt, wo das Gewächs ist.“ Es kann nämlich überall sein. Man kann dann zum Beispiel sagen: „Sie haben in einem Organ ein Gewächs, das nicht dorthin gehört.“ Damit sagt man schon viel. Warum?

Weil, je nachdem, wo das Gewächs ist, Feuer am Dach ist oder nicht. Besonders groß ist das Feuer am Dach, wenn es zum Beispiel in der Bauchspeicheldrüse ist – das Gewächs. Dann ist der Tod sehr nahe. Dann ist statistisch die Überlebenswahrscheinlichkeit klein. Dann muss man mit großen Geschützen auffahren, damit man das Gewächs noch wegbekommt, bevor es den Menschen umbringt.

Kleinere Gewächse sind nicht so gefährlich wie große Gewächse. Große Gewächse können auch noch etwas verdrängen. Etwas blockieren. Man kann dann viel weniger tun, weil jede Operation gefährlich ist. Es kann ja auch sein, dass da eine Aorta im Weg ist, die eine Operation unmöglich macht. Viel kann sein. Die Menschen sind aber allein ob der Diagnosemitteilung schon völlig blockiert. Nichts erreicht sie. Ein Schock ist oft die Folge.

Was jetzt? Das ist die Frage. Man spricht von Chemos. Man spricht von Bestrahlungen. Man spricht von Operationen. Man spricht von Medikamenten. Das ist der Hauptgesprächsstoff in dieser Situation. Man will tun. Man muss handeln. Man ist jetzt unter Druck. Entscheidungen müssen getroffen werden.

Niemand ist da, der sagt: „Du solltest dir jetzt einmal die Frage stellen: Warum habe ich das Gewächs?“

Das spricht auch niemand an. Niemand will das jetzt tun. Man weiß nicht, was die Folge sein könnte, wenn man jetzt zögert. Schmerzen sind ja auch oft da. Es ist also sehr schwer, jetzt eine andere Entscheidung zu treffen als die, die derjenige vorschlägt, der jetzt am Zug ist. Derjenige, der diagnostiziert hat und gesagt hat, was ist. Auch gesagt hat, was man tun muss. Was jetzt ansteht.

Was soll man denn auch jetzt sagen, wenn offensichtlich ist, was ist? Es ist doch klar. Ein Gewächs ist da. Vielleicht ist es auch noch krebshaltig. Dann ist alles noch dringlicher. Der Krebs kann ja streuen. Auch noch andere Organe befallen. Andere lebenswichtige Teile befallen. Die Dringlichkeit ist dann besonders hoch, wenn das so ist. Man kann dann nicht mehr zögern.

Alle sagen: „Du musst jetzt handeln. Du musst jetzt tun. Verliere keine Zeit. Du kannst nicht zulassen, dass jetzt, wo du gefährdet bist, auch noch Zeit verloren geht.“

So ist die Ausgangsposition für Menschen. Apparate stellen fest. Menschen diagnostizieren. Es ist gleich klar. Da ist etwas. Man muss es bekämpfen. Es ist da. Nichts geht von selbst weg. Man muss es einfach entfernen. Man kann nicht anders. Das Risiko ist da, dass es noch mehr tut als das, was es schon getan hat, nämlich da zu sein. Dann noch vielleicht krebshaltig. Also lass uns tun. Handeln. Schnell handeln.

Schnelligkeit ist Trumpf. Jede Verzögerung ist gefährlich. Man schneidet heraus. Verletzt auch viel, was da ist. Bindegewebe vor allem. Dann auch Nerven. Dann auch Lymphen. Lymphbahnen werden weitgehend beseitigt, damit nicht über die Lymphen der Krebs streuen kann. Das ist erkannt als sehr gefährliche Möglichkeit. Man weiß, dass es so sein kann, und lässt deshalb auch alles wegschneiden, was da ist in der Gegend, wo das Gewächs ist. Man soll einfach wegtun, was etwas tun kann.

Damit ist klar: „Es entsteht eine völlig neue Situation im Körper.“

Der Körper ist nicht mehr derselbe, wenn die Operation stattgefunden hat. Man ist einfach nicht mehr derselbe, weil vieles, was da war, nicht mehr so funktioniert wie vorher. Man glaubt, es wird schon gehen. Man kann sich nicht vorstellen, was ist.

Es ist nämlich sehr viel geschehen. Die Lymphen, wie sie waren, sind weg. Die Lymphbahnen gestört. Die Lymphstränge unterbrochen. Die Lymphbahnen weg, die vorher den ganzen Müll wegtransportiert haben, der da war. Man kann sich nicht vorstellen, was da alles geschehen ist. Es ist viel.

Man kann nicht mehr gut entsorgen, was da ist. Es entstehen Lymphstaus. Es entstehen Ödeme. Ödeme sind Schwellungen, die sich aus dem verletzten Lymphfluss ergeben. Man ist nicht mehr in der Lage, zu entsorgen, was man entsorgen muss, wenn man sich gut fühlen will. Man hat einfach die Kapazität nicht mehr zur Verfügung, die man hatte, bevor man eingegriffen hat in ein System, das gut funktionierte. Tat, was getan werden musste.

Man geht noch weiter. Man schüttet dann förmlich Chemie in den Körper. Es sind meist hohe Dosen, die verwendet werden. Chemie ist nicht Natur. Man ist also dabei, den Körper mit etwas zu behandeln, das wider die Natur ist. Man kann sich das nicht vorstellen, was jetzt geschieht. Es verdorrt alles, was mit der Chemie behandelt wird. Verdorren kann man sich vorstellen, wenn man Pflanzen sieht, die man mit Chemie behandelt hat. Man kann sich aber nicht vorstellen, was es für die Pflanzen heißt, wenn sie mit Chemie behandelt wurden. Das Verdorren zeigt das, was geschieht. Es stirbt alles ab. Natürlich muss es absterben, weil Chemie einfach so ist. Sie vernichtet alles, was natürlich ist.

Gut, das Gewächs oder was immer, was da bekämpft wird, muss ja weg. Ja, aber um welchen Preis? Der Preis ist nicht zu fassen. Warum? Weil jetzt, wo der Mensch gefährdet ist, niemand interessiert ist am Preis. Weg muss, was da ist. Das ist das Ziel. Die Folgen sind etwas anderes. Nicht jetzt wichtig. Man kann sich dann wieder darum kümmern, wenn alles geschehen ist, was jetzt notwendig ist.

Gut, das Gewächs ist weg. Der Mensch leidet. Er ist schwach. Gut, aber das Gewächs ist weg. Man kann sagen: „Es ist weg. Wir sind jetzt erfolgreich gewesen. Gehen Sie nach Hause. Es ist alles gut.“

Nichts ist gut. Das kann man sagen. Warum? Weil der Mensch sehr schwach ist. Die Schmerzen mögen gegangen sein. Das Gewächs auch, aber es ist doch auch so, dass viel anderes nicht mehr gut funktioniert.

Die Inkontinenz ist zum Beispiel da nach einer Prostataoperation. Sie geht nicht weg. Sie ist auch begleitet von dicken Beinen, die entstehen, weil gewaltige Lymphstaus entstehen. Man kann sich das nicht vorstellen, was Menschen in diesem Zusammenhang mitmachen. Man ist dann einfach darauf angewiesen, dass viele Menschen da sind, die helfen, dass es einigermaßen erträglich ist. Man hat auch Probleme mit dem Stuhlgang. Warum?

Weil die Chemie die Schleimhäute angegriffen hat und damit auch die ganzen Darmschlingen Probleme haben. Man hat auch Probleme mit den Stimmbändern, weil sie plötzlich nicht mehr so arbeiten wie vorher. Die Chemie hat sie einfach verätzt. Man hat auch Probleme mit anderen Teilen des Körpers, weil man dann, wenn weder Operation noch Chemie geholfen haben, mit Bestrahlungen beginnt, die alle darauf zielen, das Gewächs gezielt zu behandeln, damit es weggeht. Man schießt mit Kanonen auf kleine Punkte. Man verletzt auch oft viel von den Geweben rundum. Man hat dann auch die Knochen geschädigt. Knochen sind sehr sensibel. Sie haben Strukturen. Strukturen, die nicht mehr so leicht wiederherzustellen sind.

Knochen sind nämlich voll von Geweben, die alle so ausgestaltet sind, dass niemand sich vorstellen kann, wie filigran das alles ist. Es muss so filigran sein, weil sonst all das, was über die Knochen geleitet wird, nicht funktionieren würde, angesichts der Größe der einzelnen Knochen. Durch die Knochen gehen viele Stränge, die den Körper mit vielem versorgen, was notwendig ist. Nicht nur notwendig für die Knochen ist, sondern auch für die Organe und die Nerven im Körper.

Nervenfasern sind unendlich filigran. So winzig klein, dass man sie mit freiem Auge kaum sehen kann. Man ist also darauf angewiesen, dass sie einfach da sind. Sie sind da und tun etwas. Jetzt wird eingegriffen. Man schneidet. Man schüttet Chemie auf die Knochen. Auf die Nervenfasern. Man strahlt an.

Das ist kein Strahlen, sondern ein Schießen. Ein Schießen nicht mit Gewehren, sondern mit Kanonen auf etwas, das so klein ist, dass man es oft nur noch mit dem Mikroskop sehen kann. Also tun wir mit Menschen etwas, das nicht gut sein kann, weil es Auswirkungen haben kann, die nicht vorhersehbar sind. Wir tun es, damit wir etwas sehen. Was? Dass ein Gewächs gegangen ist, das da war.

Das Gewächs war da. Es war da – warum? Keiner weiß es. Keiner interessiert sich dafür. Man hat es endlich weg. Man hat aber so viel dabei kaputt gemacht, dass man eigentlich fragen müsste: „Hat sich das alles wirklich gelohnt? Bin ich jetzt wieder gesund? Ist jetzt alles gut?“

Definitiv ist nicht alles gut. Vieles ist kaputt. Kurzfristig geht es besser. Das Gewächs ist weg. Der Krebs verhindert. Die Metastasen nicht da. Alles gut. Wir sind erfolgreich. Die Folgeerscheinungen von dem, was man getan hat, sind vergleichsweise zu vernachlässigen.

Mag sein aus der Sicht derjenigen, die das alles getan haben. Sie müssen ja nicht leben mit dem, was da ist, nachdem das alles getan wurde. Der Mensch lebt. Das Gewächs, das sein Leben bedrohte, ist weg. Alles gut.

Der Rest muss ertragen werden. Das gehört eben dazu, wenn man das hatte, was sie hatten. Es war auch sehr bedrohlich. Also sind sie froh, dass sie noch leben. Der Rest sind Nebenerscheinungen, die man in Kauf nehmen muss, wenn man überleben will.

 

FRAGE: Ist Überleben genug?

ANTWORT: Menschen sind nicht auf die Welt gekommen, um zu überleben, sondern um zu leben.

FRAGE: Was ist Leben?

ANTWORT: Menschen leben, wenn sie tun, was sie wollen. Das System, das da ist, lässt sie nicht mehr tun, was sie wollen. Sie sind beschäftigt. Sie können tun. Sie dürfen tun. Sie leben, wenn sie Geld haben. Sie können nicht leben, wenn sie kein Geld haben. Nein, aber es ist einfach schwierig. Alles dreht sich um Geld. Geld macht Menschen. Geld ist das Wichtigste. Ohne Geld kein Mensch, könnte man sagen, wenn man sieht, was ist. Menschen, die kein Geld haben, sind nichts. Sie sind nichts wert. Milliarden von Menschen sind nichts wert. Das ist eine Situation, die Leben nicht lebenswert erscheinen lässt. Leben ist aber nicht so. Leben kann reich sein. Leben ist viel. Leben kann viel sein, wenn Menschen annehmen, was Leben ist. Leben ist reich, wenn Menschen tun, was sie wollen.

Sie wollen sein. Sie sind aber nicht, wenn Geld das Einzige ist, was ihnen zeigt, dass sie leben. Sie leben nicht, wenn das so ist. Geld hilft ihnen nicht. Es ist ganz im Gegenteil das, was sie nicht sein lässt. Sie tun viel, damit sie Geld haben. Geld kann sie aber nicht glücklich machen. Sie kaufen viel. Sie sind nicht viel, weil sie Geld haben. Sie haben nur viel. Viel, was sie aber nicht glücklich macht. Es macht sie gierig. Es macht sie neidisch. Es lässt sie nicht ruhen. Geld zwingt sie. Es lässt sie nicht mehr zu. Heißt: „Sie sind nicht, was sie sind.“

Geld hat sie übernommen. Sie haben etwas. Es hilft ihnen, das zu kaufen, was sie brauchen. Nein, es lässt sie immer mehr kaufen. Kaufen wird zum Lebensinhalt. Alles ist geprägt vom Kaufen können. Das Leben wird anders. Man ist. Man kann. Man hat. Haben ist alles. Alles, was wichtig ist.

Leben wird zum Sklaven des Habens. Des Habenwollens. Haben bestimmt, was der Mensch ist. Haben ist alles, was anzustreben ist. Damit wird der Mensch zum Sklaven. Zum Sklaven des Habens.

Das Gewächs ist da. Es zeigt etwas. Was? Du bist nicht. Dein Leben ist nicht. Du lebst und tust, was du nicht willst.